KAPITEL i.II
Das Mobiliar

20100612200242!TU_Darmstadt_Logo

Der Stuhl

Der Stuhl – so alltäglich, aber auch etwas Besonders. Vom Schemel bis zu einem gut ausgestatteten Sessel findet sich in Kinosälen alles, in den unterschiedlichsten Ausführungen. Aber was bedeutet eigentlich eine Sitzgelegenheit für den Menschen und warum werben Kinos schon sehr früh mit gemütlichen Sitzplätzen im Kino? Kann die Sitzgelegenheit als der unauffällige Begleiter im Kino gelten? Oder hat sie eine größere Bedeutung?


Sitzplatz doppelt so teuer

Die erste Überlieferung zur Darmstädter Kinogeschichte, in der Sitzplätze ausdrücklich beworben werden, findet sich 1910 in einem Zeitungsausschnitt. Darin ging es um kinematographische Schülervorstellungen. Die normale Karte kostete damals 10 Pfennig. Aber zusätzlich wurde auch mit „einigen Sitzreihen“ geworben, die allerdings 20 Pfennig kosten sollten. Entstand somit eine Zwei-Klassengesellschaft bei diesem kulturellen Ereignis, das eigentlich dafür stand, dass durch Filmvorführungen ein gemeinsames Publikum entsteht? Wurden gesellschaftliche Unterschiede nicht durch das gemeinschaftliche Kinoerlebnis aufgelöst? Oder zeugt diese Überlieferung davon, dass Kinovorstellungen aus der Gaststätte und aus dem Laden hinaus in die breite Gesellschaft wirkten?

Gesichert ist zumindest, dass es bereits sehr früh ein schicht- und generationsübergreifendes Interesse an den sogenannten bewegten Bildern gab.

Transkription

Der Auschuß für kinematographische Darstellungen in Darmstadt hat für Dienstag, den 25. November, Großherzogs Geburtstag, mit dem Besitzer des Residenz-Theaters (am Weißen Turm) fünf kinematographische Schülervorstellungen vereinbart. Die Vorführungen werden wieder begleitet sein von kurzen fachlichen Erläuterungen der einzelnen Bilder. Wie früher haben einige Lehrer und Lehrerinnen freundlichst die Aufsicht übernommen. Karten zu 10 Pfennig sind erhältlich ab Montag an der Kasse des Residenz-Theaters, nicht am Berlebrsbureau. Für einige Sitzreihen werden 20-Pf.-Karten verabfolgt. Erwachsene, die Kinder begleitenden Personen, zahlen 19 Pf. Bilderfolge: 1. Fortschritte der Zivilisation in Deutsch-Ostafrika; 2. Bärenjagd in Malatta; 3. eine Spazierfahrt auf dem Malong (Hinterindien); 4. Luftschiff „Barseval“; 5. Fliegergefahren; 6. Glaube des Kindes; 7. wie eine Puppe entsteht; 8. Gegenwartsbilder; 9. Sturzflüge Begouds. Die Vorstellungen finden statt: vormittags 10 Uhr und 11 ½ Uhr; nachmittags 1 ½ Uhr, 3 Uhr, 4 ½ Uhr. 

212 Sitzplätze in Reih und Glied

Das erste amtliche Schreiben, in dem der Zuschauerraum beschrieben und erläutert wird, ist von 1919. Hierbei wird das Kreisamt Groß-Gerau darum gebeten die Inbetriebnahme eines „Kinematographen-Theaters“ zu erteilen. Dies soll im Saal des Gasthauses zum „Grünen Baum“ entstehen. Dem Antrag beiliegende Zeichnung kann man entnehmen, dass der Aufbau der Sitzreihen im Kino bis heute ähnlich geblieben ist.

Zum einen kann davon ausgegangen werden, dass die Stühle die gleiche Form und das gleiche Modell haben. Es gibt keine „besseren“ oder „schlechteren“ Stühle. Die Stühle sind alle gleich und die Menschen sitzen auf der gleichen Höhe. Anders als im Theater gibt es keine Ränge. Sind somit die Stühle mehr als nur Stühle?

Oder kann dadurch ein sozialer Wandel identifizieren, wenn das Publik das gleiche Kinoerlebnis in einer Gemeinschaft auf Augenhöhe erlebt? 

Andererseits bleibt festzuhalten, dass die Kinobetreiber durch die festen Sitzreihen ihren Raum optimal und effizient zu nutzen versuchten. Die Wirtschaftlichkeit spielte demnach auch ein wichtige Rolle.

Mangelware Sitzplatz

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind der Wiederaufbau und die Wiedereröffnung der Kinos ein wichtiges Thema in der Darmstädter Presse. Hierbei wird ersichtlich, dass Sitzplätze in den Kinos mehr sind als einfach nur Sitzgelegenheiten.

Es wird nicht nur von der Rettung von Sitzplätzen für die Kinos gesprochen. Auch wird deutlich, dass die Sitzgelegenheit im Kino ein wichtiges Kriterium für die Zuschauermenge ist: „Hier können sich ebensoviele Menschen versammeln, als Plätze im Theater sind.“

[Wiederaufbau Darmstädter Kinos, 06.04.1948] 

Fazit

Der Sitzgelegenheit im Kino wurde in diesem Abschnitt eine besondere Aufmerksamkeit zuteil und es konnten verschiedene Besonderheiten herausgearbeitet werden, die mehr Aufmerksamkeit bedürfen.

Die grundlegende Frage, die sich hier gestellt wurde, ist, ob das Kino auch ohne Mobiliar gedacht werden kann. Aber da die Quellenrecherche ergeben hat, dass seit Überlieferungsbeginn das Mobiliar und hier insbesondere die Sitzgelegenheit stets Teil der Auseinandersetzung mit dem Kino war, kann davon ausgegangen werden, dass das Kino ohne Sitzgelegenheiten nicht den Vorstellungen eines Kinoerlebnis entsprechen würde.