Brände sind in der Kinogeschichte Deutschlands keine Seltenheit. Doch wieso
war in Kinosälen die Brandgefahr um einiges höher als in anderen Lokalitäten?
Nur zwei Jahre nach der ersten Filmvorführung am 28.12.1895 kam es 1897 zu einem verheerenden Brand ausgelöst durch einen Filmprojektor.
Während einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Paris, dem Bazar de la Charité, fand eine Filmvorführung statt, für die die Veranstalter eigens ein aus Holz gezimmertes Gebäude errichtet hatten. Während der Vorstellung entzündeten sich Projektor und Filmrolle.
Insgesamt verloren knapp 140 Menschen ihr Leben in den Flammen. Darunter befanden sich auch Berühmtheiten wie die Herzogin von Alençon, sie war die Schwester von Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn, die spätestens seit den Verfilmungen von Ernst Marischka auch als Kaiserin Sissi bekannt ist.
Grasleben, ein kleiner Ort mitten in Deutschland mit gerade einmal rund 2000 Einwohnern, ein riesiges Salzbergwerk und ein Feuer im Juni 1945.
Mehrere große Räume dienten hier als Archiv und Lager. In einem Raum, knapp einhundert Meter lang, zwanzig Meter breit und vier Meter hoch, befand sich das ausgelagerte Reichsfilmarchiv aus der Zeit des Nationalsozialismus. Wie genau der Brand entstand ist umstritten, offiziell ist eine umgestürzte Grubenlampe schuld.
Manche hielten aber auch Brandstiftung für möglich. So hatten US- Soldaten, die das Gebiet 1945 besetzten, kurz vor dem Brand noch Filmmaterial aus dem Archiv abtransportiert. Brach daher im Nachhinein das Feuer aus?
1986 wurden die Überbleibsel entdeckt. Nach langer Restaurationsarbeit stellte die Deutsche Kinemathek zuletzt 2021 einige Materialien des Reichsfilmarchivs aus.
Am 26. Januar 1988 kam es zu einer Brandexplosion ausgelöst durch einen Nitrofilm. Dreizehn Kammern mit tausenden Filmrollen reihten sich im Bundesarchiv aneinander, alles drohte zerstört zu werden.
Die 2000 Nitrofilme in der ersten Kammer fingen innerhalb weniger Sekunden Feuer. Die Berufsfeuerwehr aus Koblenz wusste jedoch wie mit Nitrofilmbränden umzugehen ist und konzentrierte ihre Energie auf die knapp zwei Meter dicken Außenwände der Kammern. Somit konnte sie dessen Temperatur kühlen und eine Kettenreaktion in den anderen Kammern verhindern.
Aus konservatorischen Gründen waren bis dahin bereits achtzig Prozent des Materials auf Sicherheitsfilm übertragen worden, sodass der Schaden am Ende geringer war, als zunächst befürchtet.
Nitrofilm dominierte mehr als sechzig Jahre die Filmrollenproduktion. Doch was genau machte ihn eigentlich so entzündlich und damit so gefährlich?
Das Filmträgermaterial, das die Bilder der Kamera auf die Filmstreifen bringt, ist Stickstoffcelluloseester. Die Eastmann Kodak Company entwickelte 1889 die Nitrofilmrollen, um sie kommerziell zu nutzen.
Zwar war man sich schon damals der Brandgefahr des Materials bewusst. Dennoch dauerte es Jahrzehnte, bis es durch den sicheren Tri-Azetat-Film ersetzt wurde.
Zwar waren sich die Menschen schon damals der Brandgefahr des Materials bewusst. Dennoch dauerte es Jahrzehnte bis es durch den sicheren Tri-Azetat-Film ersetzt wurde.
Nitrofilm setzt sich aus Baumwoll- oder Holzfäden zusammen, die in ein Bad aus Schwefel- und Nitratsäure getaucht und anschließend mit verschiedenen Lösungsmitteln, Weichmachern und Flammenhemmern präpariert werden. Dadurch entsteht ein Proxylinekunststoff.
Die Vorteile des neuen Materials für den Film waren groß. Es war elastisch und lichtdurchlässig. Diese Eigenschaften waren essentiell, um die Bilder in der richtigen Geschwindigkeit von mindestens fünfzehn Bildern pro Sekunde darzustellen.
Doch warum stellte man ein Material her, das chemisch mit Dynamit verwandt ist, um es als Filmträgermaterial zu verwenden? Das Problem lag weniger in dem Material selbst, sondern viel mehr an dessen Zersetzungsprozess.
Die Zersetzung durchläuft nämlich drei Stufen. Zunächst entstehen Nitrosegase. Diese sind schwerer als Luft, sinken zu Boden und sind besonders giftig. Außerdem beginnt das Filmmaterial, sich gelb-bräunlich zu verfärben. Danach verklebt die Emulsion. Im letzten Stadium wird der Film zu einer festen Masse und löst sich zu braunem Pulver auf.
Das Pulver und die Nitrosegase sind verantwortlich für die hohe Entzündlichkeit. Während sich frischer Film erst bei Temperaturen von 130 Grad entzündet, kann Nitrofilm in fortgeschrittener Zersetzung schon bei weniger als 40 Grad entflammen. Zusätzlich können die Gase Explosionen auslösen.
Das gefährlichste am Nitrofilm ist jedoch, dass man ihn schwer löschen kann. Die Verbrennung setzt Sauerstoff frei, sodass der Film selbst unter Wasser weiter brennt.
Um der erheblichen Brandgefahr in Kinos entgegenzuwirken, wurde am 25. Mai 1938 ein Regelwerk für deutsche Filmvorführer und Kinosäle entwickelt.
Besonders wichtig war hier die Bauweise des Gebäudes und der Umgang mit dem Projektor. Wer diese nicht einhalten konnte, musste um seine Betriebserlaubnis fürchten.
Filmprojektoren waren in drei Gefahrenklassen eingeteilt. Verfügte ein Unternehmen über einen Projektor der Gefahrenklasse A oder B, musste dieser in einem gesonderten Bildwerferraum aufgestellt werden. Ferner musste der Raum über feuersichere Wände verfügen. Der Projektor durfte nur auf einem feuerfesten Tisch stehen. Ein Eimer mit acht Litern Wasser musste jederzeit daneben stehen.
Während der Vorstellung durfte der Filmvorführer den Projektor nicht verlassen und er musste im Besitz eines anerkannten Vorführerzeugnisses sein.
Das Einlegen, Umspulen und Ausbessern der Filmrollen musste ebenfalls in einem gesonderten Raum erfolgen. Hierzu durften nur Filmrollen verwendet werden, die zuvor von offiziellen Stellen geprüft worden waren.
Brandschutz wurde also im Kinobetrieb sehr ernst genommen. Er erstreckte sich nicht nur über die Filmprojektion, sondern bestimmte die gesamte Raumplanung.
Stühle und Bänke mussten miteinander verbunden sein und durften den Mindestabstand zur nächsten Bank von einem Meter nicht überschreiten. Außerdem mussten die Türen nach außen zu öffnen sein, damit sich der Saal schnell räumen ließ.
Maßnahmen wie diese retteten in Ernstfall Leben und waren gerade in der Zeit des brandgefährlichen Nitrofilms enorm wichtig.